
"Delicous is not enough!"
von Eva Winterer
"Delicous is not enough!"
Wenn ein Bissen länger in Erinnerung als ein Gemälde. Markus Hufnagl, Founder und kreativer Kopf hinter Dulcisserie, will das Bild der Patisserie ändern: mit Mut, einer Prise Salz und einer Kampfansage an den Durchschnitt. Ein Interview.
von Eva Winterer
Silent Luxury: Die Eröffnung zu unserem Gespräch ist ganz klassisch, um dich ein bisschen näher kennenzulernen. Dann steigern wir uns. Welcher Weg hat dich zur Patisserie geführt?
Markus Hufnagl: Ich habe ganz klassisch die Konditor-Lehre gemacht und bin dann noch knapp zwei Jahre im Lehrbetrieb geblieben. Aber ich war eigentlich sehr unzufrieden. Ich wollte etwas Neues sehen, mich weiterentwickeln. So kam ich auf die Idee, in die Patisserie zu wechseln. Es war damals ein 5* Relais & Chateaux Hotel am Wörthersee mit Hotelgästen, einem Strand-Restaurant und einem zwei Hauben Restaurant. Von einer Konditorei in die Spitzen-Hotellerie zu wechseln war für mich eine riesige Umstellung. Beruflich wie privat war es eine unglaubliche Challenge.
SL: Was war dein Moment of No-Return, also der entscheidende Moment, für die Gründung der Dulcesserie?
Hufnagl: Nach diesem Einstieg in die Patisserie, hatte ich 9 Jahre lang für ein Luxusunternehmen gearbeitet, an internationalen Projekten mitgewirkt, Produkte entwickelt, die heute weltweit in Flagship-Stores stehen. Für mich war klar: Das ist die Stelle meines Lebens, hier gehöre ich hin, das ist mein Leben. Doch wie das Leben so spielt - kam alles anders als geplant. Die Struktur wurde verändert und es war nicht mehr das, was es einmal war. Ich stand plötzlich vor einem Scherbenhaufen, den Sinn meines Lebens gab es nicht mehr.
Mein bester Freund sagte dann: „Warum machst du dich eigentlich nicht selbständig?" Ich fragte ihn, wie er denn auf so eine Idee kommt. Später abends beim Laufen dachte ich darüber nach und kam zum Entschluss: „Mach es einfach."
Der Freund, der den auslösenden Schubser gab, ist Spanier und so ist die DULCESSERIE eine Hommage und ein Dankeschön an ihn. Ein Dankeschön für unsere Freundschaft und dafür, dass er mir einen – nein, eigentlich meinen - Weg aufgezeigt hat.
Meine Torten sollen genauso fesseln, wie sie verführen. Es gibt nur F*CKING delicous und EXTRA (but not) ORDINARY!
SL: Die Dulcesserie ist anders. Sehr anders. Was steht für ein Ansporn dahinter? Was ist deine Message?
Hufnagl: Ich will das Bild der Patisserie ändern. Ich will zeigen, dass Patisserie nicht brav und lieblich sein muss, sondern auch gern einmal auffallen darf. Die Dulcesserie steht für kompromisslosen Geschmack, radikale Ästhetik und dem Selbstverständnis, dass Luxus etwas mit Erleben und Genuss zu tun hat.
Der Unterschied ist vielleicht nur, dass meine Kunst gegessen wird. Und genau das macht sie so spannend: Sie lebt im Moment, sie verschwindet physisch. Jedoch kann dieser eine Bissen länger in Erinnerung bleiben als jedes Gemälde.
SL: Dein Leitsatz „F*cking delicious“ ist sehr stark und sehr provokant in einer doch, wie wir zuvor besprochen haben, eher zurückhaltenden Branche.
Hufnagl: Es ist tatsächlich ein Versprechen, das ich mit jedem Bissen einlöse. ‚F*CKING delicious‘ bedeutet: Wenn du etwas von mir bekommst, dann ist es nicht einfach nur gut, es haut‘ dich um. Es ist der Mittelfinger an den Durchschnitt und der Beweis, dass Genuss keine Kompromisse kennt. Delicous is not enough!
SL:Du spielst mit Verführung und Genuss. Wie würdest du dieses Worte beschreiben. Was drücken Sie für dich aus?
Hufnagl: Genuss ist für mich etwas zutiefst Persönliches, etwas Berührendes und Ehrliches. Ich bin überzeugt, dass echter Genuss herausfordern, überraschen, vielleicht sogar provozieren darf. Er macht eigentlich hungrig nach mehr und verändert.
Denn dem Grunde nach funktioniert die wahre Kunst der Verführung ja genauso: Sie nimmt dich mit auf eine Reise mit unerwarteten Nuancen, kleinen Brüchen und diesen einen Moment, in dem man denkt: „Wow, damit habe ich nicht gerechnet.“
Der Freund, der den auslösenden Schubser gab, ist Spanier und so ist die Dulcesserie eine Hommage und ein Dankeschön an ihn. Ein Dankeschön für unsere Freundschaft und dafür, dass er mir einen - nein, eigentlich meinen - Weg aufgezeigt hat.
SL: Der Blick auf deine Sweet Table erinnert an die Kunstwerk der großen und alten Meister in den Museen. Sind deine Torten ein Kunstwerk? Oder was unterscheidet ein Kunstwerk und deine Torten?
Hufnagl: Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich höre oft „Du bist ein Künstler“ und es wirkt immer ein kleines bisschen befremdlich. Ich denke jedes Mal darüber nach, ob ich Konditor oder Künstler bin. Oder, ob ich als Konditor auch Künstler sein kann.
Aber um auf die Frage zurück zu kommen: Eigentlich gar nichts. Zumindest nicht bei mir. Eine Torte kann genauso Emotionen auslösen, wie ein Bild oder eine Skulptur, wenn sie mit der gleichen Hingabe, Vision und Radikalität gemacht wird.
Der Unterschied ist vielleicht nur, dass meine Kunst gegessen wird. Und genau das macht sie so spannend: Sie lebt im Moment, sie verschwindet physisch. Jedoch dieser eine Bissen kann länger in Erinnerung bleiben als jedes Gemälde.
SL: Gemälde ist ein gutes Stichwort. Jeder Künstler hat seinen ganz eigenen kreativen Prozess. Wies sieht deiner aus?
Hufnagl: Ich liebe es neue Produkte aus einer Story heraus zu entwickeln. Dafür spielt die Inspiration für mich eine ganz große Rolle. Am Anfang jeder Kreation steht daher Frage nach der Story und ihrem Erzählstrang: Was will ich aussagen? Was war die Inspiration? Warum mache ich es? Danach entwickle ich die Geschmacksrichtung: Welche Komponenten passen ins Konzept? Wie passen sie zusammen?
Anschließend folgt die Frage zum Aufbau, die Strukturen, die Konsistenzen. Sobald das alles steht, geht es ans Tüfteln und Ausprobieren. Und ja, dabei kommt es schon einmal vor, dass ich während des Prozesses meine Pläne komplett ändere.
SL: Gibt es Rituale oder Abläufe, die dir helfen, Ideen in Formen und Geschmäcker zu übersetzen?
Hufnagl: Ja natürlich, aber sie sind selten romantisch. Ideen kommen mir oft mitten im Chaos, in Situationen der emotionalen Überforderung, wenn starke Gefühle, positive wie negative, im Spiel sind. Ich schreibe sie sofort auf und beginnt es schon in meinem Kopf zuarbeiten und ich verliere mit im Strudel der Kreativität. Sie ergibt das eine aus dem anderen, ohne dass ich großartig nachdenken muss.
SL: An welchen Zutaten erkennt man deine Handschrift?
Hufnagl: An Mut und Salz. Mut, Dinge anders zu machen, Geschmäcker zu kombinieren, die niemand erwartet. Und Salz, weil es alles ehrlicher macht. Es holt Tiefe heraus, nimmt der Süße die Masche. Technisch gesehen arbeite ich viel mit hochwertigen Grundprodukten.

SL: Was ist ausschlaggebend für deine Entscheidung? Oder anders gefragt, worauf achtest du besonders bei der Auswahl der Grundprodukte?
Hufnagl: Auf Ehrlichkeit. Ich will wissen, woher etwas kommt, wie es produziert wurde und ob es hält, was es verspricht. Qualität erkennt man nicht am Etikett, sondern daran, wie ein Produkt riecht, schmeckt und wie es sich anfühlt. Ich kaufe nichts, nur weil es gerade ‚hipp‘ ist. Meine Rohstoffe tragen meine Handschrift genauso wie meine Technik.
SL: Wie wichtig ist dir die Balance zwischen Geschmack und Optik?
Hufnagl: Balance ist für mich Pflicht! Es gibt kein Entweder, Oder. Viele setzen nur auf Optik. Da fehlt für mich jedoch die Seele. Andere backen nur für den Geschmack und verschenken die Inszenierung. Nicht bei mir. Meine Torten sollen genauso fesseln, wie sie verführen. Es gibt nur F*CKING delicous und EXTRA (but not) ORDINARY!
SL: Viele deiner Kunstwerke, sind mehrgeschossige Hochzeitstorten. Das birgt eine Gesamtkomposition und eine präzise Planung. Wie gehst du dabei Schritt für Schritt vor?
Hufnagl: Es ist auch hier die Inspiration mit der ich starte, also die Erzählung, die Geschmack, Duft und Optik vereint. Dabei fließt mit ein: Gibt es ein Moodboard? Wie sieht die Location aus? Wie ist da Brautpaar? Anschließend folgt das Konzept, also die Geschmäcker, Formen, Farben.
Danach werden die einzelnen Böden und Füllungen präzise geplant. Es wird gebacken und sobald alles abgekühlt ist, wird geschichtet, stabilisiert und gut durchgekühlt. Jede Ebene muss perfekt sitzen, sonst fällt alles zusammen. Anschließend folgt die Ausgestaltung der Persönlichkeit, die Dekoration als einer Kombination aus Zucker, Schokolade, Creme, essbare Skulpturen.
SL: Welche technischen Herausforderungen gibt es dabei?
Hufnagl: Es gibt vier technische Herausforderungen: die Stabilität, die Textur, die Temperatur und das Timing. Die Stabilität ist dabei sicherlich die größte Herausforderung. Jede Ebene muss das Gewicht der darüber liegenden Torten tragen, ohne dass Füllungen verlaufen, Böden kippen oder Torten sogar ineinander einsinken. Die Textur bedeutet, dass beim Anschneiden das Gesamtwerk perfekt halten, saftig bleiben und harmonisch schmecken muss. Die Temperatur ist ein kritischer Faktor, denn Hitze, Luftfeuchtigkeit und Transport können eine Torte ruinieren, wenn man sie nicht gut kalkuliert. Und schließlich ist Timing alles: Jede Komponente muss zur richtigen Zeit fertig sein, damit Geschmack, Optik und Frische ein perfektes Zusammenspiel ergeben.
SL: Mich fasziniert ist die Statik, die in den Torten verborgen ist. Was braucht es, damit diese Konstruktionen stabil sind und als Gesamtkunstwerk wirken?
Hufnagl: Es braucht Disziplin, Präzision und viel Gefühl. Jede Ebene muss perfekt sitzen, jede Füllung die richtige Konsistenz haben. Es braucht ein gutes, ja fast intuitives Auge für Proportion, Harmonie und Dramaturgie. Denn erst wenn alle Komponenten - also die Stabilität, der Geschmack und die Ästhetik - perfekt ineinandergreifen wirkt die Torte wie ein echtes Gesamtkunstwerk. Es ist eine Arbeit ohne vordefiniertes Rezept. Oft braucht es das Gefühl, wann etwas hält und wann es atmen darf.
Danke für das Gespräch.
Insights
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Das süße Manifest der Dulcesserie: Markus Hufnagl erschafft aus sündhaften Zutaten Kunstwerke der Verführung und erteilt dem schlechten Gewissen ein Hausverbot.
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Die Dulcesserie: Tauche ein in Markus Hufnagls Welt der radikalen Patisserie.
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