
Weißes Gold und ein königlicher Busen
von Jasmin Bürger
Weißes Gold und ein königlicher Busen
Augartens Champagnerschalen: Inspiriert von Marie Antoinette, gefertigt in Wien – jede Schale ein Ausdruck von Qualität und Individualität.
von Jasmin Bürger
Photo: Augarten Porzellanmanufaktur
Mit seinen farbenfrohen, auf ihrer Innenseite mit purem Gold veredelten Champagnerschalen, hat die Wiener Augarten Porzellanmanufaktur ein ikonisches Stück geschaffen und eines der gefragtesten Designs der Manufaktur entwickelt. Die Entstehungsgeschichte ist beispielhaft für die Verknüpfung von Tradition und Moderne, die Augarten als einer der letzten Handwerksbetriebe in der Porzellanwelt in Balance hält.
Mehrere Erzählungen, eine Quelle der Inspiration
Sicher trägt dazu die Vielzahl an Geschichte über den Ursprung der Champagnerschalen bei. Auch wenn sie sich in Details unterscheiden, der Ausgangspunkt ist immer der gleiche: Es sind Brüste von Marie Antoinette, Tochter von Kaiserin Maria Theresia und Königin von Frankreich. Sie lieferten im 18. Jahrhundert die Vorlage für ein edles Trinkgefäß aus Porzellan.
Wer Auftraggeber war, darüber gibt es zwei Erzählungen. Die eine besagt, Marie Antoinette selbst bestellte die Schalen, um ihr Landgut stilecht auszustatten. Nachvollziehbarer klingt, zumindest mit Blick auf die Formvorlage, jene, dass ihr Mann, König Louis XVI, sie in Auftrag gab. Gemeinsam ist beiden Erzählungen, dass die Schalen ursprünglich für den Genuss von Milch gedacht waren, die am französischen Hof damals gerade den Status eines heutigen It-Getränks einnahm.
Doch manche Legenden besagen auch, dass die edlen Gefäße von Anfang an für perlenden Champagnergenuss geplant waren. Fix ist: Spätestens im 19. Jahrhundert wurden in Frankreich die Coupes, also flache Schalen, weit über Hofe hinaus zur bevorzugten Servierart für Champagner.
Von Versailles nach Wien
So auch in Wien, aus der Produktion der Augarten Porzellanmanufaktur. 1718 von Innocentius du Pasquier gegründet, übernahm 1744 Kaiserin Maria Theresia, die damals noch in der Porzellangasse im 9. Wiener Gemeindebezirk, ansässige Manufaktur. Bis 1864 war sie kaiserlicher Haus- und Hofproduzent. Wegen immer größerer Konkurrenz aus den Kronländern musste der Betrieb jedoch eingestellt werden.
Augarten-Geschäftsführerin, die notwendige Handwerkskunst auf den Punkt. I
Photo: Jasmin Bürger
Champagner-Coup und Wiener Schmäh
92 Jahre nach der Wiedereröffnung, im Jahr 2017, küsste die Porzellanmanufaktur Augarten die Champagnerschalen, aus ihren Anfangstagen unter kaiserlicher Führung, wach.
Mit der Verbindung von Original und Moderne ist hat Augarten einen Coup gelungen: Die Champagnerschalen sind das meistverkaufte Produkt des Hauses, noch vor einem Porzellanstück mit Wiener Schmäh, der „Kaisersemmel“, die als Butter-, Aufstrich- oder Obstschale vielseitig einsetzbar ist. Es ist ein schönes Beispiel wie sehr Tradition in der Wiener Porzellanmanufaktur verwurzelt ist.
Seit 1923 im Barockschloss im Park im zweiten Bezirk ansässig, steht die Manufaktur für höchste Qualität, Handwerkskunst und Design. Sie versucht, die eigene Geschichte und Tradition nicht zu verleugnen, sondern mit den heutigen Ansprüchen in Design und Image zu verbinden. Und so strahlt das weiße Gold nach der Inspiration des königlichen Busens von Marie Antoinette in allen Farben.
Photo: Augarten Prozellanmanufaktur
Von Statussymbol zur Atmosphäre
Beides ist beispielhaft für die „fröhliche Tischkultur“, die Stephanie Lamazan-Salins, seit vergangenem Jahr Augarten-Geschäftsführerin, mit ihrer Marke vermitteln möchte. Natürlich ist Augarten Luxus, sagt sie, doch die Werte haben sich gewandelt: Galt ein Augarten-Service dem Wiener Bürgertum des vorigen Jahrhunderts noch als Statussymbol, so ist es heute, so Lamezan-Salins eher „eine Handtasche, damit wird man wenigstens gesehen“.
Andererseits, und hier sieht Augarten seinen großen Vorteil, legen viele Menschen wieder mehr Wert auf Qualität, Langlebigkeit und Handwerk – gerade im höheren Preissegment. Als Gastgeber will man seine Gäste mit schönen Dingen umgeben und eine außergewöhnliche Atmosphäre schaffen.
Rezept: Feldspat, Quarz, Kaolin und Wasser
Und für die Vitrine ist das Augarten-Geschirr ohnehin viel zu schade: Denn so fein das edle Porzellan ist, so langlebig ist es dank des, seit Jahrhunderten gepflegten Herstellungsverfahrens. Nur vier Ingredienzien sind notwendig, um Porzellan herzustellen: Feldspat, Quarz, Kaolin und Wasser.
Das genaue Mischverhältnis ist eine streng gehütete Formel, die du Pasquier anno dazumal auf verschlungenen Wegen nach Wien brachte. Die Herstellung ist so aufwendig, dass nur noch wenige Manufakturen weltweit in ebenbürtiger Qualität Porzellan in Handarbeit herstellen.
„Der Werkstoff ist eine Diva.“
Angerührt, in Form gegossen oder am Drehteller perfektioniert wird im Barockschluss direkt hinter den Verkaufsräumen, mit Blick ins Grüne. Neben Tischgeschirr, werden kunstvoll gestaltete Figuren produziert. Die Figuren sind eine Besonderheit für sich: Wer sie herstellt, braucht jahrelange Erfahrung, der Umgang mit dem rohen Porzellan ist heikel und höchste Handwerkskunst. „Der Werkstoff ist eine Diva“, sagt Lamezan-Salins.
Ist das Porzellan in Form, wird es zum ersten Mal gebrannt. Der Glühbrand bei 930 Grad lässt das weiße Gold aber noch nicht glänzen, vielmehr ist die Oberfläche stumpf. Das Markenzeichen der Manufaktur, der kaiserliche Bindenschild in Kobaltblau, wird jetzt per Stempel angebracht. Ein Motiv, das seit 1744 unverändert ist.
Stählernes Porzellan
Von Hand wird nun glasiert - dabei gilt es, für die Gleichmäßigkeit die Stücke mit geübtem, schnellem Griff durch die Wanne mit Glasur zu ziehen - ehe beim Glattbrand die Temperaturen bis auf 1.380 Grad steigen. Das verleiht dem Porzellan nicht nur seinen finalen Glanz, sondern stattet es mit der nahezu gleichen Druckfestigkeit wie Stahl aus.
Photo: Jasmin Bürger
Anschließend beginnt die Arbeit der Pinselkünstler im ersten Stockwerk der Manufaktur. Mit ruhiger Hand wird jede Champagnerschale bemalt. 24-karätiges Gold verleiht ihr den Glanz. Flüssig mit sanften Pinselstrichen aufgetragen, wird es ganz zum Schluss mit Meeres- oder Achatsand poliert, bis es glänzt, wie zuvor das weiße Gold.
Die Geschäftsführerin betont, dass Kunden besonderen Fokus auf die Werte legen, die die Manufaktur verkörpert: Beständigkeit, Tradition weitergedacht, höchste Handwerkskunst und Perfektion in der Produktion, Handarbeit. Doch es sind auch unvergleichliche Stücke, der Griff des feinen Porzellans, zurückhaltend in weiß oder präzise verziert, werten jeden Tisch auf.
Augarten nach Maß und Zeit
Kennern ermöglicht Augarten, das Geschirr nicht nur in Handarbeit, sondern nach Maß schöpfen zu lassen. Mit wachsendem Erfolg. Besonders gefragt ist dies aktuell für die Komplettausstattung von Yachten. Bemalungen und Motive werden ganz nach Kundenwunsch umgesetzt, neue Formen entwickelt.
Während der Produktion der Champagnerschalen vom Anrühren des Porzellans bis zum fertigen Stück rund drei Wochen dauert, bedürfen Spezialaufträge schon einige Monate an Arbeit. Doch: Warten lohnt sich.