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Die weiße Feige des Cilento neu interpretiert als warme Speise, bei Santomiele.
Die weiße Feige ist eine besondere Sorte, die nur in wenigen Regionen Südeuropas wächst, so im Cilento. Santomiele interpretiert die nachstoffreiche Frucht in unterschiedlichsten Formen. I Photo: IG Santomiele

Der süße Geschmack der Zeit

Die Renaissance eines uralten Schatzes: Santomiele macht die weiße Feige zu einem köstlichen Symbol für das Sich-Zeit-Nehmen.

von Ella Carlucci

1. September 2025

In einer Welt, die von Eile und Effizienz dominiert wird, gibt es Orte, die uns lehren innezuhalten. Prignano Cilento, ein idyllischer Ort in den Hügeln Süditaliens, ist solch ein Ort. Hier hat das Unternehmen Santomiele seit 1999 die weiße Feige – eine beinahe vergessene Frucht – zu einem Symbol für bewusste Langsamkeit gemacht.

Zeit als Rohstoff oder die Ökonomie des Wartens

Die industrielle Zeitlogik kennt keinen Stillstand. Effizienz bemisst sich in Durchsatz pro Zeiteinheit, Optimierung in der Verkürzung von Wartezeiten, Erfolg in der Beschleunigung von Abläufen. In Prignano Cilento, einem kleinen Ort auf der Kuppe eines Hügels am Eingang zum süditalienischen Cilento, arbeitet seit 1999 ein Unternehmen nach völlig anderen Maßstäben. Santomiele hat die Zeit selbst zum Rohstoff erklärt.

Die Grundlage dieser Haltung findet sich bereits bei Cicero, der in seinen Tusculanae disputationes zwischen chronos und kairos, also zwischen gemessener und erlebter Zeit, unterschied. Was Antonio Longo und Corrado Del Verme in ihrer Feigenmanufaktur praktizieren, ist die konsequente Anwendung des kairos-Prinzips auf einen Produktionsprozess: Sie achten auf die Zeit, statt sie zu beherrschen. Statt künstlicher Beschleunigung setzen sie auf natürliche Reifung. Dieser bewusste Einsatz des Rohstoffs Zeit transformiert weiße Feige von einer nahrhaften Frucht zu einem möglichen Zeichen des kulturellen Umdenkens.

Die historischen Wurzeln: Eine Frucht mit Symbolkraft

Die geschichtliche Bedeutung der Feige hat eine starke Symbolkraft. Als eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit reicht ihr Anbau bis 5.000 v. Chr. zurück. Im antiken Griechenland galt sie als Speise der Götter – ein Gesetz verbot sogar die Ausfuhr der besten Feigen Attikas. Sie stand für Fruchtbarkeit und Frieden. Für die Athleten der Antike war Feigenkonzentrat ein natürliches Mittel zur Stärkung vor den Wettkämpfen.

In Rom wandelte sich ihre Bedeutung zu einem Zeichen von Wohlstand und Zivilisation. Plinius der Ältere beschrieb in seiner Naturalis Historia über 30 Feigensorten und ihre Eigenschaften. Philosophen wie Platon schätzten sie, Plinius lobte ihre Wirkung auf die Jugend und ihren Nutzen für ältere Generationen.

Heute gibt es in Europa nur noch wenige Flächen für den Feigenanbau. Der überwiegende Teil der verzehrten Feigen aus dem Nahen Osten. Dabei erfüllen Feigenbäume neben ihrem Nährwert auch eine wichtige Aufgabe für die Landschaft: Zusammen mit Olivenbäumen stabilisieren sie auf natürliche Weise die steilen Hänge Süditaliens. Im Cilento, einem UNESCO-Weltkulturerbe, blüht dieses Tradition neu auf, dank Initiativen wie Santomiele.

Das Geheimnis: Feigenwurzeln im Fels

Santomiele arbeitet ausschließlich mit der weißen Dottato-Feige des Cilentos, einer lokalen Sorte, die seit Jahrhunderten als eine der wertvollsten Früchte Süditaliens gilt. Diese Feigen sind deutlich kleiner, zarter und süßer als ihre Verwandten im Nahen Osten, mit einer feineren, gelblich-grünen Schale und zartem, hellem Fruchtfleisch mit winzigen Kernen.

Der Anbau drohte gegen Ende des 20. Jahrhunderts in Vergessenheit zu geraten, bis unter anderen Antonio Longo 1999 die Fäden wieder aufnahm. Aufgewachsen in der Region, kam Longo in die Region zurück und gründete gemeinsam mit Del Verme im Jahr 1999 das Santomiele. Ihre Vision beschreibt Longo in einem Interview so: „Unsere Idee war nicht die Feigenproduktion an sich. Es war ihre Veredelung. Das beginnt mit der Qualität des Rohstoffs, also der Feige, die streng ausgewählt, sonnengetrocknet und sorgfältig von Hand verarbeitet wird.“

Heute, im Jahr 2025, sind im Cilento Feigenbäume wieder ein fester Bestandteil der Landschaft. Rund ein Drittel der Jahresproduktion Italiens stammt aus der Region. So auch Santomiele. Das Unternehmen bezieht seine Feigen von rund 30 Kleinbauern aus dem nördlichen Cilento.

Ein perfektes Mikroklima

Das Geheimnis der weißen Feigen liegt in den Boden- und Klimaverhältnissen. In den Bergen dominieren Karstböden aus Kalkstein, die durch ihre poröse Struktur Wasser gut speichern. An den Küsten finden sich Ablagerungen aus dem urzeitlichen Tethy-Meer, der sogeannte „Flysch del Cilento“. Die Böden sin leicht alkalisch und damit optimal für die Aufnahme von Kalzium durch die Feigenwurzeln.

Die Höhenlagen zwischen 400 und 800 Metern über dem Meeresspiegel schaffen ein besonderes Mikroklima für das Wachstum der Bäume. Im Schutz des Apennins sorgen sommerliche Temperaturen im Mittel zwischen 28 – 32 Grad für die intensive Photosynthese und Zuckerakkumulation, während die nächtliche Abkühlung durch maritime Luftmassen (15-18°C) die Respiration verlangsamt und die Energiebilanz der Pflanze stabilisiert.

Die relative Luftfeuchtigkeit von 65-75% in den entscheidenden Monaten von Juni bis September verhindert ein vorzeitiges Ausdrucken der Früchte, während die konstanten Meeresbrisen einen natürlichen Schutz vor Pilzerkrankungen bieten. Diese Bedingungen mach die Cilento-Feigen zu einem einzigartigen Produkt, das Santomiele zu interpretieren weiß.

Das Fagottino: Ein Bündel voller Bedeutung.

Etwa in Form des Fagottino, das die Philosophie von Santomiele verkörpert. Der Name „Fagottino“ bedeutet übersetzt „kleines Bündel“ - ein wertvolles Bündel. War es einst eine nährstoffreiche, bäuerliche Vorratsspeise, macht es Santomiele zu einer kunstvollen Delikatesse. Wie eine Schatztruhe umschließen die grünen Blätter des Feigenbaums die Früchte. Dies bewahren die Aromen und Dürfte aus den mit Orangen und Trauben verfeinerten getrockneten Feigen.

Il Fagottino: Einst eine nährstoffreiche, bäuerliche Vorratsspeise, macht es Santomiele zu einer kunstvollen Delikatesse. Wie eine Schatztruhe umschließen die grünen Blätter des Feigenbaums die Früchte. Dies bewahren die Aromen und Dürfte aus den mit Orangen und Trauben verfeinerten getrockneten Feigen. I Photo: Santomiele

Diese Verwandlung der Frucht beginnt mit ihrer Ernte in den Morgenstunden zwischen Ende Juli bis Mitte September. Nach der Ernte werden die Früchte etwa zehn Tage lang in der Sonne – ohne Zusatzstoffe – getrocknet. Anschließend erfolgt in der Manufaktur eine schonende Erwärmung bei niedrigen Temperaturen, um ihre Qualität zu sichern

Während der Trocknungsphase vollzieht sich eine biochemische Transformation: Der Wassergehalt sinkt von über 80 Prozent auf 18–30 Prozent, der Zuckergehalt steigt von 16–20 Prozent auf 58–63 Prozent. Gleichzeitig bilden sich durch natürliche Enzymprozesse neue Aromastoffe, die das typische Geschmacksprofil der getrockneten Feigen prägen. Das anschließende Einwickeln der Früchte für die Herstellung des Fagottino versetzt mit Orangen und Trauben wird seit Jahrhunderten angewandt, um die Frucht haltbar zu machen, also zu konservieren.

Neben dem Fagottino entstehen weitere Produkte: Molassen durch schonendes Pressen, Konzentrate mit Aromen von Karamell, Lakritz und Heu, sowie Schokoladenkreationen. Alle folgen dem Prinzip, die Frucht ernst zu nehmen und in neue Kontexte zu übersetzen.

Seit Juli 2025 hat Santomiele ein Restaurant am Standort eröffnet, das das Thema Feigen kulinarisch übersetzt in innovative und überraschende Rezepturen und Interpretationen.

Neu eröffnetes Restaurant Ficheria mit innovativen Interpretationen zum Thema Feigen. I Photo IG Santomiele
Neu eröffnetes Restaurant Ficheria mit innovativen Interpretationen zum Thema Feigen. I Photo IG Santomiele

Architektur der Zeit

Der Firmensitz von Santomiele befindet sich in einem renovierten Mühlengebäude, in dem einst Olivenöl gepresst wurde. Die Architektur ist, wie das Fagottino, ein Ausdruck der Unternehmensphilosophie: Klare Linien, helle, transparente Räume – auch die Produktion – in den Hang integriert und mit dem Gestein aus dem Flysch als Teil des Innendesigns. Ein Konzertflügel und eine im Dach integrierte Photovoltaik-Anlage sind weitere Elemente, die Wurzeln der Vergangenheit, die Zukunft und Kultur miteinander verbinden.

Das architektonische Zentrum des Gebäudes bildet ein piazza-ähnlicher Kreis, der früher der Olivenölpressung diente und auf dem heute die Feigen auf Tischen zum Trocknen ausgelegt werden.

Radix: Der Wert von Wurzeln

Santomiele kann als Teil eines größeren, laufenden Diskurses in Italien eingeordnet werden: „la valorizzazione territoriale“, also die wirtschaftliche Aufwertung der Regionen. Die Überlegungen verbinden ökonomische und kulturelle Fragen. Sie reagieren auf globale Tendenzen der Angleichung von Geschmack und Produktionsweisen.

Vor dieser Fragestellung steht auch der Begriff Luxus. Soll Luxus nur an seinen materiellen Eigenschaften gemessen werden? Oder wird er zukünftig zu einer kulturellen Erzählung, die Authentizität und Wertschätzung für Produkte und ihre Herstellung in sich trägt? Santomiele hat diese Frage offensichtlich für sich beantwortet. Die Trocknung der Feigen wird nicht durch das Beifügen von Zusatzstoffen beschleunigt. Stattdessen setzt man auf die Zeit und die Wirkung der Natur. Das ist radikal – radikal ganz im Sinne der lateinischen Herkunft des Wortes von „radix“, der Wurzel. Im Fall von Santomiele schlägt es eine Brücke von traditionellen Produktionsweisen in die Zukunft.

Geduld, der Luxus unserer Zeit

Die weiße Feige, die beinahe in Vergessenheit geraten wäre, hat hier, bei Santomiele, eine Art Wiedergeburt erfahren. Sie erzählt von einer Region, die ihre Wurzeln bewahrt und neue Ausdrucksformen findet. Im Mittelpunkt steht das Fagottino: eine kleine, in Blätter gewickelte Form, die die Geschichte des Cilento aufnimmt und in die Gegenwart trägt. In einer beschleunigten Welt erinnert es uns daran, dass wahrer Wert in der Geduld liegt.