Lumikello: Warum schöne Dinge Zeit brauchen
von Eva Winterer
Lumikello: Warum schöne Dinge Zeit brauchen
Rosa neben Orange, Türkis neben Violett – die Farbkombinationen sind unvorhersehbar, weil das Material bestimmt, was möglich ist. Lumikello vereint nordeuropäische Reduktion mit mediterraner Wärme.
von Eva Winterer
In einem historischen Landgut in Warnau, Schleswig-Holstein, idyllisch zwischen Feldern und alten Bäumen gelegen, entwickelt Eva Kaiser, Gründerin von Lumikello, die Prototypen für ihr Design-Label. Das Sortiment umfasst handgefertigte Körbe, Taschen, Kissen und Deko, ergänzt durch Kunst, Papierarbeit sowie Accessoires für Tisch & Tafel.
Lumikello – das finnische Wort für Schneeglöckchen – steht für die Idee, dass aus Altem Neues entsteht. Die Körbe entstehen aus Garnresten, in Farben und Farbkombinationen, die ebenso selten wie vorhersehbar sind: ein leuchtendes Rosa neben Orange, Türkis neben Violett, so als hätte jemand einen Sonnenuntergang eingesammelt und in Maschen übersetzt.
"Mit Lumikello kann ich meine Liebe zu Farbe und Design mit Nachhaltigkeit verbinden", sagt Eva. "Aus Altem Neues entstehen zu lassen, erfüllt mich jeden Tag." Dabei ist das Häkeln anstrengender, als es auf den ersten Blick scheint.
Überraschung mit Methode
Denn, so erzählt Eva, es dauert drei Tage, einen großen Korb zu häkeln. Drei volle Arbeitstage, in denen Eva an ihrem Tisch sitzt, die Hände stets in Bewegung, lassen die Nadel durch die Maschen gleiten. Die Garnreste, mit denen sie arbeitet, kommen von Textilherstellern: es sind Überschüsse, Fehlproduktionen oder Restbestände.
So birgt die Planung immer wieder einen gewissen Überraschungseffekt in sich. Eva weiß nie genau, was als nächstes kommt, welche Farbe, welche Materialqualität. Sie erzählt: „Wir können nie sagen nächsten Monat produzieren wir 50 Körbe in Mintgrün. Man reagiert auf das, was da ist. Denn die Farbe von gestern gibt es heute vielleicht nicht mehr.“
Und so flexibel wie der Farb- und Qualitätsmix, trifft Eva Kaiser mit jeder Masche auch in der Entwicklung ihrer Prototypen, viele kleine Entscheidungen: straffer oder lockerer, hier einen Farbwechsel, dort die Form weiten. Doch genau das macht die Designentwicklung hier in Warnau aus. Sie nimmt jene alt-ehrwürdige Zunfttradition wieder auf, die neben dem Können auch die Zeit als integralen Bestandteil von Qualität verstand.
Die Griechischen Schwestern: Wenn Kulturen das Handwerk teilen
Eva arbeitet nicht allein. Wenn ein Prototyp in Warnau fertig ist, reist er nach Griechenland. Dort bringen Handwerkerinnen die Entwürfe in Produktion. Denn Lumikello ist ein Partnerprojekt, bei dem Wissen grenz- und traditionsübergreifend geteilt wird. Die griechischen Handwerkerinnen verknüpfen ihre eigenen Geschichten – Häkeltechniken, die sie von ihren Großmüttern gelernt haben - und ihr mediterranes Verständnis von Farbe.
So ist Lumikello die Synthese der nordeuropäischen Klarheit, Reduziert heut und einer gewissen Kühle und der südlichen Wärme, die sich in kleinen Adaptionen zeigt jedem Stück seine Einzigartigkeit verleiht. Auch hier gilt die alte Handwerkstradition, in der jeder Meister seine Technik teilte, weiterentwickelte und doch jedes seiner Stücke mit seiner eigenen, ganz speziellen Note, versah.
Ma (間): Der bewusste Weg zum Besitz
Zurück nach auf das Landgut in Schleswig-Holstein. Der Showroom in Warnau öffnet zu regelmäßig stattfindenden Events und auf Anfrage. Kund:innen fahren bewusst zu Lumikello, nehmen sich Zeit. Und auch zwischen der Bestellung und der Lieferung liegt Zeit – frei nach dem japanischen "ma" (間), dem bewussten Intervall.
Man wartet auf seine Lieferung und entwickelt währenddessen eine Beziehung zu dem Objekt, bevor man es besitzt. Man bestellt, man wartet, man schaut vielleicht auf Instagram, wie andere Körbe entstehen. Man denkt über den eigenen Korb nach und stellt sich vor, wo er stehen wird, wie man es kombiniert.
Wenn der Korb dann ankommt, beginnt seine eigentliche Geschichte, eng verbunden mit dem Platz, den er findet. Die Körbe altern. Sie verändern sich, wie Menschen sich verändern, wie Häuser sich verändern, wie alles sich verändert, das lebt. Die Farben werden matter, das Garn lockert sich minimal, an manchen Stellen zeigt sich, wo Hände sie am häufigsten berührt haben.
Die Schönheit der Patina: Was die Zeit mit den Dingen macht
Dabei ist zwischen Verschleiß und Patina zu unterschieden. Verschleiß bedeutet: Das Produkt wird schlechter. Patina bedeutet: Das Produkt wird reicher, erzählt seine Geschichte. Lumikellos Körbe tragen diese besondere Patina. Menschen geben sie weiter – an Freunde, die gerade wo neu eingezogen sind, an Kinder, die ausziehen. Von einer Wohnung in die nächste. Diese Beständigkeit hat mit der investierten Zeit zu tun. Objekte, in denen viel Aufmerksamkeit steckt, scheinen länger zu überdauern.
Über 73.000 Menschen folgen Eva Kaiser auf Instagram. Sie sehen die Arbeit, das Landgut. Manche werden Kunden, manche fahren Samstagnachmittag nach Warnau. Andere sehen nur zu und denken: schön, dass es das gibt.
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