
Zeit unter Druck: Wie die Schweizer Uhrenindustrie ihre Präzision neu justiert
von Eva Winterer
Zeit unter Druck: Wie die Schweizer Uhrenindustrie ihre Präzision neu justiert
Deloitte-Studie Swiss Watch Industry 2025: Eine Branche zwischen Zollpolitik, Nachfrageverschiebung und neuem Selbstverständnis.
von Eva Winterer
Am 10. Oktober 2025 feierte die Schweiz ihren ersten World Watch Day. Es ist ein Tribut an Handwerk, Ingenieurskunst und Marken, die ein essentieller Teil der kulturellen Infrastruktur des Landes sind. Doch während die Branche ihre Geschichte feiert, steht sie wirtschaftlich unter Druck.
Die neue Deloitte-Studie Swiss Watch Industry 2025 beschreibt ein Jahr, das weniger von Krisen als von Reibung geprägt ist. Nach einem Rekordhoch 2023 mit Exporten im Wert von 26,7 Milliarden Franken fiel der Absatz im Folgejahr um rund drei Prozent. Besonders betroffen war das mittlere Preissegment bis 3.000 Franken, wo der Rückgang bei 16 Prozent lag.
Der amerikanische Markt, seit 2021 der wichtigste Absatzraum, ist nach den jüngsten Zollmaßnahmen der US-Regierung erneut zur Unbekannten geworden. Mit 39 Prozent Importzoll auf Schweizer Uhren reagieren Hersteller mit Preisanpassungen, vorgezogenen Lieferungen oder gezieltem Lagermanagement. Diese Maßnahmen stabilisieren kurzfristig, verändern aber langfristig die Marktstruktur.
Die Ökonomie der Präzision
Die Uhrenindustrie bleibt ein Indikator für globale Konjunkturströme. Ein starker Franken, steigende Goldpreise und eine gedämpfte Konsumstimmung in China und Hongkong belasten die Nachfrage. In China gingen die Exporte 2024 um 26 Prozent zurück – ein Wert, der in Genf und Biel inzwischen nüchtern einkalkuliert wird.
Gleichzeitig zeigt sich eine Verschiebung im Luxusgefüge: Das Wachstum konzentriert sich zunehmend auf Modelle über 50.000 Franken. 64 Prozent der befragten Führungskräfte beurteilen die Aussichten in diesem Segment als positiv. Die Folge ist eine stille, aber deutliche Verschiebung von Volumen zu Wert.
Neue Märkte, neue Rhythmen
Indien und Mexiko entwickeln sich zu den aufmerksam beobachteten Wachstumsmärkten. Indien verzeichnete 2025 ein Plus von sieben Prozent, Mexiko erstmals zweistellige Zuwachsraten – beides getragen von einer jüngeren, digital orientierten Käuferschicht.
Der Aufstieg dieser Märkte markiert einen Perspektivenwechsel. Luxus folgt nicht mehr nur geografischen Linien, sondern kulturellen. Wo früher europäische und amerikanische Käufer den Takt vorgaben, bestimmen heute Communities, Narrative und digitale Touchpoints die Nachfrage.
Strategien im Takt der Unsicherheit
Im Inneren der Branche herrscht Konzentration. Marken und Zulieferer investieren gezielter, oft in kleinere, kontrollierbare Innovationsprojekte. 70 Prozent der befragten Zulieferer reduzieren ihre Investitionen, während fast ebenso viele in Automatisierung und neue Materialien gehen.
Innovation ist weniger Ausdruck von Expansion als von Präzision. Viele Marken experimentieren mit hybriden Technologien, digitalen Entwicklungsprozessen und neuen Formaten für Markenerlebnis und Vertrieb. Das Bild ist eines stillen, aber entschlossenen Fortschritts.
Zwischen Anpassung und Beständigkeit
43 Prozent der Branchenführenden erwarten in den kommenden zwölf Monaten eine Verschlechterung der Exportmärkte. Dennoch bleibt der Wille zur Erneuerung spürbar – neue Kollektionen, neue Märkte, neue Formen der Präsentation.
Cyrille Vigneron, Präsident der Watches & Wonders Foundation, beschreibt die Dynamik treffend: „Die Zyklen der Disruption werden kürzer. Agilität wird zur eigentlichen Handwerkskunst.“
2025 ist daher also weniger als ein Wendepunkt, als mehr eine Phase der Konzentration zu sehen. Zwischen schwächerer Nachfrage und präziser Planung zeigt sich ein Sektor, der seinen Takt neu setzt: vielleicht etwas ruhiger, aber mit unverändertem Anspruch auf Perfektion.
Die gesamte Studie zum Nachlesen: Link
Diese Analyse ist Teil einer fortlaufenden Serie zur Deloitte Swiss Watch Industry Study 2025. Abonnieren Sie den Newsletter, um die kommenden Beiträge direkt zu erhalten: abonnieren.